Frauensymbol

Lesben erzählen ihre Kirchengeschichte

Kirchentag 2023 in Nürnberg
Zusammenfassung

Frage 1: Was findest Du an deiner lesbischen Biographie so wichtige, dass es bewahrt werden sollte?

 

AA: Ich habe mich bei meiner Uroma zitternd vor Aufregung geoutet. Sie ist 83 Jahre alt. Sie fragte „Was ist los? Kindchen, das macht doch nichts, Hauptsache du liebst!“ Meine Freundin wurde ihre neue Urenkelin. Meine Oma konnte mit meinem outing nichts anfangen. Für meine Mutter und meinen Bruder war das ok.

 

BB: In meiner Verwandtschaft sind alle über 80 Jahre. Bei allen sind meine Freundin und ich als Paar herzlich willkommen.

 

CC: Ich bin bisexuell und seit 1½ Jahren mit einer Frau zusammen. Meine Familie kommt aus dem Freikirchlichen Bereich. Wenn im Fernsehen in einer Sendung Schwule vorkamen, sagte mein Vater „Igitt“ und schaltete den Fernseher ab. Mein Vater und mein Bruder äußerten sich offen gegen Homosexuelle. Diese Ablehnung wird biblisch begründet. In dieser Gemengelage von Familie und Gemeinde mich selbst zu finden, war nicht einfach. Im Fernsehen gab es mal Sonntag um 10.00 Uhr einen landeskirchlichen queer Gottesdienst, in dem LSBTIQ Personen von ihren Diskriminierungserfahrungen berichtet haben. Meine Mitter fand es schrecklich, dass diese Menschen soviel Diskriminierung erfahren. Daraufhin habe ich das Gespräch mit meinen Eltern gesucht und mich geoutet. Sie haben sich für mein Vertrauen bedankt und immerhin nichts queerfeindliches mehr gesagt.

 

DD: Meine Eltern haben ganz ok reagiert. Meine Mutter ist in Tränen ausgebrochen, auch wenn sie eigentlich gar nichts dagegen hat. Mein Cousin ist trans, sie kennen das Thema LSBTIQ also. Ich habe den Eindruck, ich befinde mich in einer „Zwischengeneration“. Ich bin nicht mit Schwulen und Lesben im Fernsehen aufgewachsen und habe keine Vorbilder von älteren Lesben. Das hat mir die Selbstfindung schwer gemacht. Es gibt zu wenige Bücher über Lesben mit kirchlichem Kontext. Mir fehlen persönliche Geschichten ältere Lesben im Umfeld Kirche und überhaupt.
Eine lesbische Pfarrerin wurde mir Begleiterin in diesem Prozess. Es fehlt mir auch ein Netzwerk jüngerer Lesben. Ich weiß von der LuK, aber das sind ältere Lesben und ich würde gerne mit einer Gruppe junger Kirchenlesben die Luk HH besuchen.

 

EE: Meine Schwester ist trans, sie hat sich zuerst bei meinen Großeltern geoutet. Und dann kam ich als bi-lesbische Enkelin. Meine Großeltern haben distanziert reagiert, sie sind sehr katholisch.

 

FF: Vor dem Coming out gab es eine gewisse Verunsicherung, wie die Gemeinde zum Lesbischsein steht. Es gab dort Debatten über die LGBT-Community zur Zeiten des CSD. Der Pastor war offen für queere Menschen und hat ihnen einen Raum in der Kirche/Gemeinde geben. Die Befürchtung, die Gemeinschaft zu verlieren, hat sich nicht erfüllt. Das Coming out war dann ein gutes und positives Erlebnis, das Mut und Kraft geben hat.

 

GG: Das Coming out war nie ein großes Thema in der Kirche. Der Pfarrer ist offen gegenüber allen. In den Jugendgruppen waren viele verschiedene Menschen vertreten, u.a. offene Lesben, die katholisch sind. Da wurde niemand in eine Kategorie einsortiert. In der kleine Gemeinde im ländlichen Süddeutschland gilt das Motto: Wer kommt, der kommt. Ich bin ich und das zählt in dieser Kirche.

 

HH: Es gab nicht nur ein Coming out, sondern bei jeder neuen Gruppe ein neues. HH findet es mühsam, aber möchte auch nicht für hetero gehalten werden. Deshalb ist ihr ein Coming out immer wieder wichtig.

 

II: Hatte spät im Leben die Erkenntnis lesbisch zu sein. Sie hat einen guten Freundeskreis. Viele in diesem Freundeskreis halten die Kirche für altmodisch, aber durch BG wird dieses Bild geändert. Ihre Freund*innen sind alle offen für die Kirche. Das ist eine gute Erfahrung für sie. In der Kirche sind aber nicht alle offen für die LGBTIQ+-Gemeinschaft…

 

JJ: JJ hat verschiedene Erfahrung in der Kirche gemacht. Sie hat für sich die Bibel aufgearbeitet, um ihren Weg gehen zu können. LGBTIQ+ ist in den Gesprächen in der Kirchengemeinde nicht wichtig.

 

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Frage 2: Deine schönste/schlimmste lesbische Erfahrung

 

1: Ich studiere Theologie auf Lehramt in K. Das Thema Lebensformen und Gender ist an der Uni präsent. In eine Gemeinde bin ich nicht eingebunden. Meine Freundin ist katholisch und kommt aus Polen. Wir fahren nicht als Paar nach Polen zu ihrer Familie, das trauen wir uns nicht und das ist sehr schade.

 

2: In meiner Ausbildungsstätte bin ich voll anerkannt. Es ist ein kirchlicher Träger und sie sagen „Wir akzeptieren so was“.

 

3: Meine schlimmste Erfahrung: die Reaktion meines Vaters auf mein Coming out:
„Das kannst Du doch nicht ernst meinen“
„Doch“
„Dann können wir nicht mehr miteinander reden!“
Haben wir auch nicht. Zwei Jahre später hat er mich zu einem Gespräch eingeladen. Ich schöpfte Hoffnung auf ein gutes Gespräch. Doch er hielt mir einen zweistündigen Vortrag, dass ich als Lesbe in der Hölle landen würde. Als er dann sagte „Angela Merkel ist die Enkelin von Adolf Hitler“ bin ich gegangen. Er hängt verschiedenen Verschwörungstheorien an. Wir haben seitdem null Kontakt. Dadurch habe ich zu diesem Familienteil auch keinen Kontakt mehr, was sehr, sehr schade ist, weil dies meine Wurzeln sind.
Meine Uroma ist anders, sie fragt immer nach meiner Liebsten. In B. habe ich den euopride gefeiert und erlebt wie toll die Community ist.

 

4: Ich lebe in K. und die Stadt ist sehr queeroffen. Sowohl die Schule wie auch meine evangelische Gemeinde sind gut Orte für mich, um queer aufzuwachsen.

 

5: In meiner Landeskirche ist es schon schwierig, aber in der Freikirche ist es extrem. In der Landeskirche ist queer Sein kein Thema, es existiert einfach nicht.
In E. hatte ich mein Coming out und das war richtig gut. „Anders Amen“ ist toll, die beiden haben mir Kraft gegeben.

 

6: keine negativen Erfahrungen

 

7: Schön war das Date mit einer Frau, die Beziehung war schlimm. In der Familie kann sie nicht out sein – höchsten bei ihrer Mutter über das Thema sprechen.
In der Gemeinde selbst gab es kein Problem, so war eine Teamerin selbst lesbisch und ein Vorbild. Nun ist sie es für andere. Bei ihrer katholischen Arbeitsstelle gibt es innerhalb des jungen Teams wegen ihrem Lesbischseins kein Problem. Die Geschäftsleitung weiß es nicht. Es droht sonst eine Kündigung.

 

8: Ihre beste Freundin, die streng katholisch ist, hat sie nach dem Coming out links liegen gelassen. Die intensive Freundschaft ist weg.
Es gibt Familienmitglieder, bei denen ihr Coming out und das Thema LGBTI+ unerwünscht ist. Sie geht mit ihrer Lebensweise offen um, aber führt keine Diskussionen darüber.
Innerhalb der evangelische Kirche gibt es keine Probleme. 8 wartet aber noch mit dem Coming out in der katholischen Kirche, wo ihre Arbeitsstelle ist.

 

9: Es gibt mehr homophobe Menschen als gedacht und das im nächsten Umfeld. Die Eltern akzeptieren ihr Lesbischsein, ahnten es schon und nahmen das Coming out als Bestätigung an. Im engeren Familienkreis und Umfeld gab es hingegen blöde Kommentare. 9 hat schlechte Erfahrungen im schulischen Bereich gemacht. Mitschüler*innen haben ihre Religion als Gegenargument gegen ihr Lesbischsein verwandt.

 

10: Ist queer. Beziehungen zu Frauen haben sie geheilt. Eine Freundin fühlte sich durch sie bedrängt und dann war die Freundschaft kaputt.

 

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3. Frage: Was von deinem Glauben möchtest du anderen weitergeben?

 

AA: Ich bin in meiner Gemeinde aktiv, weil ich den kulturellen Überbau der Kirche mag. Das Zentralste ist für mich im Glauben, G*tt als etwas Formloses. G*tt ist das Gold und wir sind der Ring. Diese Vorstellung von Williges Jäger gefällt mir. Für mich ist G*tt nichts, das extern ist und handelt. G*tt ist der Ozean und wir sind die Tropfen, alle zusammen, alle gehören dazu. Das finde ich gut, in dieser Gottesvorstellung bin ich geborgen. In der Kirche bin ich angenommen, so wie ich bin. Das ist völlig unabhängig von meiner Leistung!
Die Kirche ist manchmal zu zögerlich. Es wäre prima, sie würden Aufklärungszeug und Kondome verteilen, die Liebe feiern mit Texten und Gebeten.

BB: Glaube ist für die Hoffnung, die immer da ist. Hoffnung auf Veränderung zum Guten. Das macht den Glauben für mich lebensfähig, er ist wichtig für mein Leben und meine Liebe.

CC: Im Glauben ist für mich das Angenommensein das Wichtigste. G*tt ist größer als wir Menschen. Wenn G*tt Mörder annimmt, um wie viel mehr wird er nicht eine Frau annehmen, die eine Frau liebt. Das stärkt mich.
Das Menschenbild G*ttes gefällt mir. Menschen sind Ebenbilder G*ttes, wir sind Geschöpfe G*ttes.
Ich weiß, ich bin in G*ttes Hand – aber das reicht nicht immer, manchmal brauche ich auch Menschenhände. Die finde ich in kirchlichen Jugendgruppen. Ich bin von G*tt angenommen und von Menschen unterstützt.

DD: G*tt ist Liebe, das bringt mir G*tt nah. Und mehr kann ich dazu gar nicht sagen, das sagt alles. Ich war bei Pierre Stutz in der Veranstaltung. Er hat gesagt „Orgasmus ist wie ein Gebet“ Das ist sooo schön!!

EE: Wer in der Liebe lebt, der lebt in G*tt – nicht nur in der Kirche. Meine Gemeinde sind meine Freundinnen. Mein Glaube ist was Eigenes, eine persönliche Verbindung zu G*tt, ohne Kirche oder Institution.

EE: Meine Konfirmation hat meinen Glauben gestärkt. Auch den Glauben an die Kirche, die mir Sicherheit gibt. Du kannst nicht tiefer fallen, als nur in G*ttes Hand – dieser Satz hilft mir. In der Kirche gibt es gute Worte für mich, auch an Tiefpunkten. Dadurch erlebe ich, dass G*tt für mich da ist.

FF: FF hat seit zwei Jahren einen evangelischen Arbeitgeber, war katholisch ist nun evangelisch.
Sie wünscht sich ein Netzwerk innerhalb der Kirche, um sich jederzeit offen zeigen zu können und um mehr Sichtbarkeit von Lesben in der evangelisch Kirche zu demontrieren.

GG: Hat in ihrem theologischen Studium verschiedene Herangehensweisen an die Interpretation der Bibel gelernt. An der Universität ist man offen und liberal. Sie nutzt ihr Fachwissen, um lesbisch selbstbewusst auftreten zu können. Interessierten gibt sie in einfacher Sprache die verschiedenen Perspektiven der Bibel weiter.

HH: Gott hat einen geschaffen, wie man ist. Es gibt keine Sünde. Es ist nicht falsch lesbisch zu sein.

II: II musste in ihrem theologischen Studium lernen, was hinter den Bibelstellen steckt, die sich mit Geschlechterverhältnissen befassen. Wie versteht die Bibel die Liebe?
Sie weiß jetzt, dass sie anders empfinden darf, als es die Bibelauslegungen zum Teil nahelegen. Der Geist der Bibel ist ein „Antidiskriminierungsgeist“, der sich durch alles zieht bis in unseren Glauben.

 

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Anmerkung: Wir danken allen Frauen für das Gespräch. Alle waren damit einverstanden, dass wir ihre Beiträge anonymisiert mitschreiben und auf unsere Internetseite stellen.

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