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Veranstaltungstitel: kirchen coming out. Lesben schreiben Kirchengeschichte

Deutscher Evangelischer Kirchentag, Dortmund 2019
Zusammenfassung

Frage: Was findest du an deiner lesbischen Biografie so wichtig, dass es bewahrt werden sollte?

Inzwischen (wir schreiben das Jahr 2019) ist das Thema der institutionalisierten Partnerschaft oben auf.

 

AA hat seit 2012 inzwischen 4x „geheiratet“: Verpartnerung (Standesamt), kirchl. Segnungsgottesdienst, Trauung (Standesamt), Kirchl. Trauung. Sie erfährt keine Diskriminierung.

 

BB hat dreimal geheiratet.

 

CC hat sich verpartnern lassen (mindere Rechte, keine „vollgültige Ehe) und ist geschieden (mit allen Pflichten). Nach ihrer Einschätzung sind die Arbeitsbedingungen besser geworden. Der CSD belebt auch die Firmen. Durch die Charta der Vielfalt hat sich vieles verbessert und das Thema der Homosexualität ist „besprechbar“ geworden.

 

DD Hatte immer das Gefühl einen Teil von sich abschneiden zu müssen oder ganz in sich bleiben zu müssen. Die Offenheit -auch in den lesbischen Kreisen- ist größer geworden und so ist es leichte möglich „anzudocken“.

EE Im Netzwerk der katholischen Lesben ist es noch recht eng. Sie sucht hier Anschluss.

 

FF Auch auf dem Kirchentag macht sich die Entwicklung der inzwischen offenen und offiziellen Benennbarkeit des Themas bemerkbar. Aus dem Bereich Frauenarbeit sind die Lesben in den Bereich Regenbogenzentrum gekommen. (Seit 2013). Ob das zum Segen ist, wird sich weisen…

 

A: „Ich hatte bisher in der falschen Hälfte der Menschheit nach Partnerschaft gesucht; deshalb wurde nie ´was draus. Das zu erkennen, war eine beglückende Erfahrung. Mit Gott hatte und habe ich keinen Stress, aber mit der Kirche; da hatten in der damaligen DDR die Konservativen die Macht.
Am Abendmahlstisch sagte mir ein Mann, streng belehrend: Das sei nun ganz und gar nicht vereinbar mit dem Christentum. Ich bin froh, mich einem Lesben-Netzwerk angeschlossen zu haben; dadurch bin ich all die Jahre gut begleitet und gestützt worden.“

 

B: „Ich war Schülerin in einem katholisch bischöflichen Gymnasium, als Lesbe in einer Konfliktsituation. Aber dort gab es zwei Frauen, denen ich mich anvertrauen konnte, die mich unterstützten, z.B darin, eine Gruppe zu finden. Zum einen war das die Religionslehrerin. Und dann die Schulpsychologin, eine Ordensfrau, die mir überzeugend sagte: ´Du bist ok so! Die erste Zeit wird schwer sein; aber du wirst es schaffen. Trau es dir zu!´
Wir wurden Freundinnen.
Ich trat später aus der Kirche aus, dann aber wieder ein.“

 

C: „Alle in meiner Familie wussten es. Dann fasste ich Mut, mich meiner streng katholischen Oma gegenüber zu outen, war überrascht, als sie mich umarmte, sich mit mir freute, auch über meine Freundin. Sie stickte ihr bald darauf Regenbogensocken.“

 

D: „Von Jugend an war ich in meiner Kirchengemeinde engagiert. Dort gab es eine hohe Akzeptanz allen Lebensformen gegenüber. Mein Outing war kein Problem; auch der Pastor war ganz offen; keinerlei Ausgrenzung, sondern starke Unterstützung. Dort lernte ich auch meine erste Partnerin kennen.“

 

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Frage 2: Was war deine schönste/schlimmste lesbische Erfahrung?

 

E: „Eine überwältigende Erfahrung war: Die Kirche ist ja voller Lesben! Wie toll, nicht mehr in einer absoluten Minderheit zu sein, bzw. sich so zu fühlen!“

 

F: „Die Erfahrung mit meiner ersten Lesbentagung in Bad Boll (ich hatte mich endlich anzumelden getraut) war so gut, intensiv, dass ich fast ein Jahr davon gezehrt habe. Ich war erleichtert, dort auch Frauen zu treffen, die fraulich gekleidet waren.
Die erste katholische Frau, der ich mich in meiner Umgebung zuhause anvertraute, reagierte so: ´Deine Freundin bringst du aber bitte nicht in den Hauskreis mit!´ Später aber sprach diese Frau mich von selber an, dass sie ihre Meinung dazu geändert habe.“

 

G: „Meine schönste Erfahrung war, als ich die erste Nacht mit einer Frau verbrachte. Auf dem 1. ökumenischen Frauenkongress sagte eine Frau zu mir: ´Lesbe – da hast du dich ja total festgelegt auf ein Geschlecht.´ Ich fühlte mich wenig ernstgenommen, bin bis heute wütend darüber.“

 

H: „Ich habe katholische Theologie auf Lehramt studiert, hatte diffuse Ängste, z.B. aufgrund meiner Orientierung die Missio zu verlieren. Diese Sorge schrieb ich dem Fachbereichsleiter für Englisch. Er ermutigte mich, riet mir, mich nicht an einer katholischen Schule zu bewerben, aber doch Religion zu unterrichten.
Das mache ich auch, bin froh darüber; und mein Schulleiter steht dem ganz entspannt gegenüber.“

 

I: „Während meiner Jugendjahre dauerte es lange, bis ich mir im Klaren war bezüglich meiner Identität. Jetzt mache ich den Bachelor in Sozialarbeit, schreibe über das Thema: Christlicher Glaube und sexuelle Identität – bei Jugendlichen. Verblüffend, wie wenig Material/festgehaltene Erfahrungen es dazu gibt - hier in unserem Bereich (In Berlin ist das ganz anders)! Positive Erfahrung: Der SKF (Sozialdienst katholischer Frauen) war sofort ganz offen für das Thema.“

 

GG Es ist eine wunderbare Erfahrung eine Beziehung zu einer Frau zu haben. Es ist die Erfahrung, dass sie mich ganz sieht. Sie sieht mich in Gänze.

 

HH Ganz klar war mein schönstes Erlebnis bis jetzt meine Hochzeit 2012 während des CSD sind wir dann mitgelaufen. Mit den Schwiegereltern. Wir wollen Normalität demonstrieren und führen eine klassische „Pfarrehe“.

 

II Wir sind ein Paar und wir sind in der gleichen Klasse. Während der zweiwöchigen Fahrt nach Russland hatten wir vereinbart sehr zurückhaltend zu sein. Doch jemand aus der Klasse hat uns dort in Russland geoutet. Das war nicht lustig. Ich habe handgreiflich gelernt, wie frei wir hier in Deutschland sind.

 

JJ Ich habe nur gute Erfahrungen gemacht. Als ich mich verliebt hatte und es endlich meiner Mutter sagen wollte, wusste die es schon und hat sich gefreut.

 

KK Ich war 15 als ich mich meinen Eltern gegenüber geoutet habe. Das war keine gute Erfahrung. Aber meine Liebste wird von meinen Eltern sehr gemocht. Inzwischen bin ich total geoutet. Wenn man mich googelt, kommt gleich der Eintrag mit unserer Hochzeit und meine Adresse, weil Pfarrerinnen ja mit Adresse angegeben werden. Das ist irgendwie schön, aber auch etwas gefährlich, denke ich.

 

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Frage 3: Was hält dich in der Amtskirche?
… falls du noch drin bist

 

J: „Als Praktikantin in einer Gemeinde, während des Theologiestudiums, bekam ich heftig Gegenwind. Die Mentorin riet mir eindringlich, in diese Gemeinde nicht ins Vikariat zu gehen. Ich erlebe es heute sehr ambivalent, was Akzeptanz, Zugehörigkeit in Kirche/Gemeinde als lesbische Frau angeht.“

 

K: „Allein aus finanziellen Gründen, aufgrund meiner Lebenssituation, war ich aus der Kirche ausgetreten, spürte dabei, wie schwer mir das doch fiel, wie es mich auch später noch bedrückte, wie ein Gefühl von Verrat. Ich war und blieb sehr stark verbunden, engagierte mich weiter in der Kirche.
Jetzt nach Jahren bin ich froh, frei von einer Amtskirche zu sein. Meine Beziehung zu Gott regele ich anders.“

 

L: „Ich bin Pfarrerin, meine Frau ist Tagesmutter. Es geht wunderbar so. Die allermeisten freuen sich über uns, mit uns, dass wir es hier vor Ort so leben, so leben können.“

 

M: „Die evangelische Kirche ist und bleibt Heimat für mich, die ich nicht aufgeben würde; dabei spielt die Kirchenmusik eine wichtige Rolle.
Ich bin Religionslehrerin; meine Schüler interessiert vor allem, warum ich glaube und was ich glaube. Ich oute mich ihnen gegenüber nicht, den Kollegen gegenüber jedoch, aus Selbstschutz; denn Homophobie bei Schülern ist nicht gering.
Befremdlich finde ich das mit dem Kirchengeld, dass wir, seit verheiratet, gemeinsam veranlagt werden, obwohl meine Frau nicht in der Kirche ist.“

 

N: „Ich werde Religionslehrerin, evangelisch. Ich habe eine wunderbare Studierenden-Gemeinde erlebt. Da gab es allerdings sehr kritische Haltungen bezüglich Amtskirche, Kirchenpolitik.“

 

LL: Ich sehe keinen Grund nicht dabei zu sein. Es ist offen und es geht voran.

 

MM: Ich bin aus der röm.-kath. Kirche ausgetreten und in die ev.-luth. eingetreten. In der Gemeinde fühle ich mich wohl. Und der Pfarrer hält auch gute Gottesdienste. Doch dieses ständige „Herr“ nervt mich.

 

NN: Ich bleibe in der röm.-kath. Kirche, damit die anderen nicht gewinnen. Ich suche mir offene Räume. So z.B. die Studierenden Gemeinde oder bestimmte Foren.

 

OO: Ich bin römisch-katholisch. Aber nicht streng katholisch sozialisiert. Als ich studiert habe, bin ich ausgetreten und war 13 Jahre ohne Kirche. Dann bin ich aber wieder eingetreten. Ich habe eine Queergemeinde in M gefunden. Der Priester dort unterstützt uns.

 

PP: Ich leide an der Kirche und habe eine sehr lange Phase der Selbstfindung hinter mir. Ich hatte Selbstzweifel und fragte Gott: Warum hast du mich so gemacht? Aber ich habe Sehnsucht nach der Gemeinschaft.

 

QQ: Mein Vater hat einmal mit mir gebetet als ich Kind war. Das war mir so eindrücklich. Dann kam ich zu meiner Tante und meinem Onkel. Beides PfarrerIn. Der Glaube erstarkte. Der Wunsch Theologie zu studieren erwuchs. Doch dann bekam ich die Auskunft, dass ich lesbisch keine Gemeindestelle bekommen würde. Nun lebe ich in W und hatte/habe Schwierigkeiten bei der Umstellung.

 

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4. Frage: Was von deinem Glauben möchtest du anderen weitergeben?

 

O: „Gott ist die gute Kraft, die im Ganzen wirkt, auch durch mich wirkt.
Wichtig ist, immer angebunden zu bleiben an das Gute Gottes. Meine Verantwortung sehe ich darin, etwas einzubringen von meiner Stärke“

 

P: „Während meines Coming out waren mir immer meine persönlichen Beziehungen wichtig, und was Gott mir sagt. Ich finde schade, dass Argumente oft einfach so heruntergeleiert werden, wenn es um Kirche und Religion geht.“

 

Q: „Gott gibt mir immer wieder Kraft. Gelebter Glaube - das ist für mich Sauerteig, Graswurzelbewegung. Ich trete dafür ein, dass nach Gottes Ordnung unser Lesbisch-sein in Ordnung ist. Aus dieser Perspektive die Bibel lesen, die Jesuserzählungen betrachten, entsprechend predigen - orientiert an der Befreiungstheologie, heute ´queere Befreiungstheologie`!

 

R: „Gleichgeschlechtliche Liebe leben: das hat man nicht irgendwann mal, einfach so; dazu gehört immer wieder Wandel, auch Zweifel, darum ringen, sich auseinandersetzen - auch im Blick auf den Glauben an Gott.
Ich finde es sehr bereichernd, ganz unterschiedliche Arten von Gottesdiensten zu besuchen.“

 

RR: Gal 3,28 ist mir wichtig: Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“ Das bedeutet für mich: Gott liebt alle Menschen Und ich möchte Spiritualität weitergeben.

 

TT: Mt 28! („siehe ich bin bei euch alle Tage“). Jesus hilft uns, steht zur Seite.

 

UU: Freiheit und Gleichwertigkeit. Es gilt die Liebe, sie kommt vor den Regeln.

 

VV: Gott ist solidarisch mit denen, die leiden müssen und am Rand stehen.

 

WW: Gott liebt jeden. Wir sollten standhaft bleiben.

 

XX: Gott ist da – er liebt uns und will uns in Gemeinschaft.

 

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Anmerkung: Wir danken allen Frauen für das Gespräch. Alle waren damit einverstanden, dass wir ihre Beiträge anonymisiert mitschreiben und auf unsere Internetseite stellen.

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